Mit Dornberg Landwirtinnen und Landwirten im Gespräch

Wie und wo sehen sie sich jetzt und in der Zukunft?

Als Stadtteilgruppe der GRÜNEN in Dornberg hatten wir im Rahmen der Reihe „Offener Abend“ diesmal in erster Linie unsere örtlichen Landwirtinnen und Landwirte zu einem Gespräch eingeladen.

Über 30 Teilnehmende haben gezeigt, dass Interesse besteht: „miteinander und nicht übereinander zu reden“.

Nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellung durch Rainer Wicht und Erwin Görke, hatte zunächst

Hermann Dedert das Wort. Er war als Vorsitzender des WLV (Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e.V.) Kreisverband Herford-Bielefeld weiteres Mitglied des Podiums. Anhand einiger ihm vorliegender Zahlen erläuterte er die derzeitige Situation in der Landwirtschaft.

Daten zur Landwirtschaft in Bielefeld

1. Landwirtschaftliche Betriebe:

 20102020
Anzahl Betriebe192177

Die Zahl der Betriebe hat im Zeitraum von 2010 bis 2020 um 15 Betriebe abgenommen. Das heißt, die Betriebszahl hat sich innerhalb von10 Jahren um rund 9 Prozent verringert.

2. Durchschnittliche Betriebsgröße:

 20102020
 34,9 ha41,0 ha

3. Bodennutzung:

 20042020
Landwirtschaftliche Fläche10.014 ha8.423 ha
Quelle: IT.NRW (1)  

4. Viehhaltung:

 20102020
 HalterTiereHalterTiere
Rindvieh542.654301.643
davon Milchkühe2497910631
Schweine3719.6121914.026

Die Beiträge unserer Gäste bezogen sich im Wesentlichen auf 4 Bereiche:

A) Flächen

Die von der Landwirtschaft – und das insbesondere in Bielefeld – zwingend benötigten Flächen werden immer geringer. Das liegt unter anderem daran, dass immer mehr für Bauland zum Wohnungsbau und Gewerbe ausgewiesen wird.

Damit einher geht zusätzlicher benötigter Raum für erforderliche Infrastruktur und Mobilitätserfordernisse wie zum Beispiel Straßen und Abstandsflächen zu den Baugebieten. Alternativ auszuweisende Klimaausgleichsflächen schränken die Arbeit der landwirtschaftlichen Betriebe zusätzlich ein.

Da Fläche aber nicht vermehrbar ist, führt die Frage der Nutzung zu Konflikten.

Hier konnten wir besonders darauf hinweisen, dass wir uns in Dornberg für den Erhalt von landwirtschaftlichen Flächen zu Lasten weiterer Bebauung stark gemacht haben mit positivem Erfolg. Eine entsprechende Eigenverpflichtung der Stadt Bielefeld schränkt die Ausweitung von zusätzlichem Bauland ein. Diese gilt allerdings nur so lange, wie die aktuellen politischen Verhältnisse Gültigkeit haben. Die Opposition befürwortet eine weitere Baulanderschließung.

Mit der Verringerung der landwirtschaftlichen Flächen soll aber in der Landwirtschaft gleichzeitig ein höheres Label bei Tierhaltung und Ackerbau sowie regionale Versorgung erreicht werden. Wie soll dies realisierbar sein (Freilandhaltung, ausreichende Erträge bei weniger Düngung, etc.) bei Erhalt der Rentabilität der Höfe.

B) Preise / Produktion

Trotz aller Beteuerungen herrscht fehlende Wertschätzung in der Bevölkerung -regionale Produkte kontra „regionale“ Produkte beim Discounter – die Moral endet am Regal (auch bei den Verbrauchern, die sich höhere Preise leisten könnten). Darüber hinaus werden nach wie vor Unmengen an nicht verbrauchten Lebensmitteln vernichtet.

Daneben ist man dem Preisdruck des Handels ausgesetzt. Da Lebensmittel nur begrenzt lagerfähig sind, ist man gezwungen auf Preisangebote einzugehen. Damit sind die Möglichkeiten bei der Preisgestaltung durch den begrenzten Verkaufszeitraum eingeschränkt. Zum Teil sind Preise bereits vor Produktionsbeginn auszuhandeln, bei unbeeinflussbaren Risiken während der Produktionsphase. Ein hoher und gleichbleibender Qualitätsstandard ist Abnahmevoraussetzung.

Aufwendige und langfristige Investitionen (z. B. Stallformen, techn. Gerät, etc.) sind notwendig, um den gestellten Produktionsanforderungen gerecht zu werden als auch auf Dauer rentabel wirtschaften zu können.

Mittlerweile versuchen Betriebe ihre finanzielle Situation durch Nebeneinkünfte (z. B. Hofläden) oder Flächen für erneuerbare Energien) zu verbessern, um Schwankungen bei den Einnahmen zu abzufedern.

Fehlendes Personal stellt auch in der Landwirtschaft ein Problem dar.

Dazu erschweren sich ständig ändernde Rahmendaten und Auflagen die Entscheidungen bei der Nachfolgeregelung. Immer komplexere Investitionsentscheidungen sind zu treffen. Im Gegensatz zur Industrie oder dem Mittelstand ist man von den örtlichen Gegebenheiten abhängig und kann deshalb nur begrenzt oder spontan reagieren. Die Arbeitsbedingungen erfordern zusätzlichen Idealismus.

C) Klimaschutz

Bei allen regionalen Besonderheiten, mit denen die Landwirtschaft zu kämpfen hat, kommt der Klimawandel als nicht kalkulierbarer Faktor hinzu (Ernteausfälle, sich schnell verbreitende großflächige Tierseuchen).

Schon aus eigenem Interesse achten die Betriebe daher auch auf Klimaschutz und beziehen ihr Handeln dabei ein, zumal sie von den negativen Einflüssen selbst in vollem Umfang betroffen sind.

Neben der eigenen Produktion werden sie zu Boden-/Gewässer-/Artenschutz verpflichtet und hierfür in großem Maße verantwortlich gemacht.

Bei alledem gilt es, wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.

D) Politik

Wissend, dass die Politik in Dornberg nur einen sehr geringen Einfluss hat, weisen Teilnehmer darauf hin, dass in der überregionalen Politik Entscheidungen zu kurzfristig/ unklar / nicht zu Ende gedacht getroffen werden. Mit der Folge, dass immer wieder Nachbesserungen vorgenommen werden müssen.

Dadurch fehlt den Betrieben die erforderliche Planungssicherheit. Sich ergebende Veränderungen bedürfen z. T. höhere Investitionen oder sind kurzfristig nicht umsetzbar bei zusammenhängenden und länger laufenden Prozessen.

Viele Entscheidungen sind gerade von kleineren Betrieben auf Grund der Gegebenheiten nicht umsetzbar oder bedürfen strukturell gesehen viel Zeit. Man denke hier an neue, resistentere Pflanzenarten oder Formen der Tierhaltung (wo sind ausreichende Flächen?).

Ein weiterer Punkt ist die Ausgestaltung von Bio-Labels. Diese sind unübersichtlich und erlauben Interpretationsspielräume. Wie weit wird z.B. der Begriff „regional“ gefasst und was suggeriert er?

Auch sieht man sich gegenüber der Konkurrenz zum Ausland in einer schwierigen Situation. Dort vorherrschendes Klima, niedrige Personalkosten, Subventionen, Flächengrößen, Energiebedarf erschwert zusätzlich die Situation der hiesigen, kleinen Betriebe.

Und nicht zuletzt wünscht man sich eine verbesserte Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Gremien (Verbände, Verwaltungen, etc.) für eine effektivere und situationsbezogene Umsetzung.

Fazit:

Eine sichtbarere Wertschätzung der regionalen landwirtschaftlichen Betriebe, ihrer Produkte und Verständnis für ihr Handeln erleichtern das Miteinander und tragen zur Wirtschaftlichkeit der Höfe bei. Das fördert die eigene Motivation – statt Existenzsicherung durch Flächenverkauf.

Das Forum dieses Abends sollte fortgesetzt werden. Nur so können die notwendigen Informationen frühzeitig und richtig ausgetauscht werden.

Wir haben in Aussicht gestellt, unsere Vertreterinnen und Vertreter in Stadt, Land als auch Bund über unseren Abend zu berichten und sie zu einem weiteren, offenen Gespräch vor Ort einzuladen.